Kappung bei 10 % – Ganz was Neues oder kalter Kaffee?

Der Bundesminister für Justiz kommentierte die vorgesehene Neuregelung als Meilenstein. Der ungeübte Betrachter mag hier also ein Novum vermuten.

Dieser Anschein trügt.

Zunächst kann man die jetzige Änderung nicht gänzlich ohne das Mietrechtsänderungsgesetz 2013[1] betrachten. Dort war – gleichfalls als Mietbremse in der Presse bezeichnet – die Ermächtigung zugunsten der Länder geregelt, durch Verordnungen die Kappungsgrenze in Gebieten mit Wohnraummangellage auf 15 % zu reduzieren. Nachdem somit 2013 eine Begrenzung des Anstiegs bei den Bestandsmieten implementiert wurde, zielt die Jetzige auf die Mieten bei Neuvermietung ab. In diesen Stufen vollzog es sich bereits 1917 mit der Ersten MieterschutzVO und 1918 mit der Zweiten MieterschutzVO. Die Erste regelte die Bestandsverträge, die Zweite die Neuvermietungen.[2]

Die Senkung der Kappungsgrenze auf 15 % entsprach einer alten Forderung des Bundesrates vom 15.09.1992[3], obgleich diese schon damals umstritten war.[4] Gleichfalls empfahl er die Einführung einer Preisgrenze für Neuvermietungen von 10 % über der ortsüblichen Miete.

Hierbei sollte es wörtlich heißen: „Liegt der Wohnraum in einem Gebiet, in dem die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist, so darf bei Abschluss eines Mietvertrages bis zum 31. Dezember 1999 der vereinbarte Mietzins die ortsübliche Vergleichsmiete um nicht mehr als 10 von Hundert übersteigen. Diese Gebiete nach Satz 1 werden durch Rechtsverordnung der Landesregierungen bestimmt. Satz 1 gilt nicht für Mietverträge über Wohnraum, der nach dem 31.12.1990 fertiggestellt worden ist und ist nur auf Mietverträge anzuwenden, die während der Geltungsdauer einer Verordnung nach Satz 2 abgeschlossen werden und sich auf eine Vermietung während dieses Zeitraumes beziehen.“

Mit der Grenze sollte „weiterhin eine gewisse Ausrichtung am Wohnungsmarkt“ möglich sein. Der Neubau sollte gleichfalls ausgenommen sein, um „unerwünschte Auswirkungen bei Kapitalanlegern, die in den Wohnungsbau investieren wollen“ zu vermeiden[5]. Von der Grenze erfasst werden sollten aber auch umfangreich modernisierte Wohnungen, die vor dem 01.01.1991 fertiggestellt wurden. Ein Überschreiten der Grenze sollte eine Teilnichtigkeit auslösen (Hinweis auf BGH Urteil vom 11.01.1984 VIII ARZ 13/83 – hierin stellte der BGH klar, dass bei einer Preisüberhöhung nach § 5 WiStrG eine Teilnichtigkeit nur insoweit vorliegt, als der Mietzins die ortsübliche Vergleichsmiete mehr als nur unwesentlich übersteigt), also rechtlich anders strukturiert sein als die jetzt vorgesehene Regelung, wonach sich der Mieter zunächst mit einem Auskunftsverlangen an den Vermieter wenden muss und somit erst zeitversetzt die Rückzahlungsverpflichtung einsetzt. Das Neue an dem damaligen Vorschlag war nicht das Modell an sich, sondern dessen Anwendung auf das Gebiet der alten Bundesländer. Denn im Rahmen der Diskussion um die Erfüllung des per Einheitsvertrag festgeschriebenen Auftrages, die Mieten in den neuen Bundesländern an das Vergleichsmietensystem anzugleichen, wurde zunächst vom Bundesrat[6] eine Begrenzung der Mieterhöhungen von 10 % gefordert[7] und schließlich mit 15 % umgesetzt.[8] Die prozentuale Begrenzung von Mieterhöhungen fällt somit nicht in den Bereich der Neuheiten.

Die Differenzierung nach Gebieten mit besonders angespannter Wohnungslage geht noch weiter zurück, nämlich auf den ersten Entwurf zum ersten Wohnraumkündigungsschutzgesetz im Jahre 1971.[9] Hier werden sogar konkrete Zahlen genannt, ab wann eine Mangellage[10] vorliegt, nämlich ein „erheblicher Fehlbestand (2 %) an Mietwohnraum“, (vgl.  § 2 Art. 2), wobei als empirisches Material die Ergebnisse der Gebäude- und Wohnungszählung nach dem Wohnungszählungsgesetz 1968[11] und deren Fortschreibung dienen sollte. In der Begründung heißt es hierzu, dass in diesen Gebieten die bei ausgeglichenen Marktverhältnissen vorhandene Angebotskonkurrenz als Regulativ ausscheide.[12] Die Bundesregierung sollte ermächtigt werden, mit Zustimmung des Bundesrates entsprechende Verordnungen zu erlassen. Dies wurde nicht umgesetzt, hingegen wurde der gebietsspezifische Sonderschutz im Art. 6 der Fassung des Vermittlungsausschusses[13] „Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum“ aufgegriffen und zwar für „Gemeinden, in denen die Versorgung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist“. Ermächtigt zum Erlass entsprechender Verordnungen wurden aber die Landesregierungen. Dies hat seine Aufnahme im Gesetz zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstieges sowie zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen vom 04.11.1971[14] gefunden.

Was ist nun neu und was alt?

Neu ist die Preisfreiheit für umfangreich modernisierte Wohnungen. Alt ist, dass der Neubau ausgenommen bleibt, neu ferner, dass die Überzahlungen nicht teilnichtig sondern erst auf Geltendmachung erstattet werden müssen.

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[1] BGBl. I S. 434

[2] Wenn auch in Form von Ermächtigungen zugunsten von Mietpreisämtern

[3] Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines vierten Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften BT Drucks. 12/3254 S. 28

[4] Die Expertenkommission (Wohnungspolitik auf dem Prüfstand, Im Auftrag der Bundesregierung verfasst von der Expertenkommission Wohnungspolitik 1995) schlug deren Abschaffung vor (Tz. 5509) „Ein derart beschränkter Mietzins verdient kaum die Bezeichnung als Marktmiete“ Hierzu auch: Sonnenschein, Martin, Überlegungen der Expertenkommission Wohnungspolitik zum Einfluss des Mietrechts auf den Wohnungsmarkt, Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung, 21.September 1995 S. 16, der in diesem Zusammenhang aber auch darauf hinweist, dass bei der Umsetzung des ebenso unterbreiteten Vorschlages, wieder alle Mietverhältnisse in die Bemessung aufzunehmen und nicht nur die der damals letzten 3 Jahre ein gewisser Ausgleich geschaffen sei. (S.17)

[5] Bundesrat a.a.O. S 32

[6] BT Drucks 13/1187

[7] die sich nach der bisherigen Miete bemaßen, da kein Vergleichsmietensystem bestand

[8] Mietenüberleitungsgesetz v. 10.06.1995 BGBl I, S. 748 bis zum 30.6.1997 befristete Kappungsgrenze

[9] BT Drucks 6/1549

[10] wörtlich „Gebiete besonderen Wohnungsbedarfes“ § 2 Abs.1

[11] vom 18.3.1968 (BGBl. I. S. 225)

[12] BT-Drucks S. 7

[13] BT-Drucks 6/2708

[14] BGBl. I 1745

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